Leben und Wirken von vier Persönlichkeiten gegen das NS-Regime / Holocaust-Gedenktag 27.01.2025

Beitragsbild: Wikipedia

Benjamin B. Ferencz (geboren am 11. März 1920 in Siebenbürgen im damaligen Ungarn)

2023 im Alter von 103 verstorben, war ein US-amerikanischer Jurist und Staatsanwalt in den Nürnberger Prozessen.

Er kämpfte im 2. Weltkrieg als amerikanischer Soldat in der Normandie und in den Ardennen. Er wurde dann als Ermittler für die Aufklärung von Kriegsverbrechen abkommandiert. Dadurch kam er in die KZs Buchenwald, Mauthausen, Dachau und einigen andern. Diese Ermittlungen galten der Vorbereitung der Nürnberger Prozesse.

Seine Erlebnisse aus den KZs beschreibt er so – Zitat: “Es war so unrealistisch und ich musste eine Denkweise entwickeln, das ist nicht real, das ist irgendein schrecklicher – im englischen Original –  horrible Nazi-Movie. Ich habe es einfach ausgeblendet and I did my Job.“

Später wurde er ziviler Leiter einer Gruppe von fünfzig Ermittlern, die Beweismaterial für die Anklage der Nürnberger Prozesse zusammentrugen. Einer seiner Mitarbeiter entdeckte 1946 12 Leitz-Ordner mit den sogenannten SS-Ereignismeldungen aus der UdSSR.  Diese „Ereignismeldungen“ entstammen von Einsatzgruppen der SS, die in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten in in der Sowjetunion für „politische Sicherheit im rückwärtigen Raum der Front“ zu sorgen hatten. Der wirkliche Auftrag allerdings lautete, alle zu vernichten, die die Deutschen als Feinde des Nationalsozialismus betrachteten  – Juden, Sinti und Roma, kommunistische Funktionäre, psychisch Kranke und andere Minderwertige. Diese regelmäßigen Aufzeichnungen dokumentierten vom ersten Tag an nach dem Überfall auf die Sowjetunion ihre Taten. Die Täter dokumentierten dabei selbst peinlich genau, wie viele Menschen sie töteten.
Benjamin Ferencz realisierte dabei sehr schnell, dass diese Akten nicht nur für die Ermittlungen, sondern auch historisch einen unschätzbaren Wert hatten.

Hier ein Beispiel einer solchen Ereignismeldung: Tatort das Tal Babi Yar nahe Kiew. Hierhin sollten Menschen umgesiedelt werden, aber sie wurden nicht umgesiedelt. Sie mussten sich ausziehen und wurden erschossen. Anschließend wurde die Zahl der Ermordeten nach Berlin gemeldet. So steht in der Ereignismeldung UdSSR 106: „Am 29. und 30. September tötete das Sonderkommando 4a der Einsatzgruppe C 33771 Menschen. Man sei zufrieden, dass die Aktion reibungslos verlaufen sei.

Beim Auswerten der Akten nahm Ferencz eine kleine Rechenmaschine und addierte die Zahl derer, die ermordet wurden. Zitat: „Als ich über eine Million erreichte, hörte ich auf zu rechnen.“

Als Ferencz bei seinem Vorgesetzten General Telford Tayler darauf drängte, dass der in diesen Meldungen belegte Massenmord Gegenstand eines weiteren Verfahrens werden müsse, wurde er zunächst mit dem Argument abgewiesen, man habe da ein „administratives Problem“, was bedeutete, es gab zu wenig Personal und zu wenig Budget. Außerdem sei der Gerichtssaal Nr. 600 in Nürnberg nur für 24 Angeklagte geeignet. Man hätte in den Akten aber ca. 3000 Täter gefunden. Der Hartnäckigkeit von Benjamin Ferencz ist es zu verdanken, dass der Prozess dann doch zu Stande kam. Er wurde als Staatsanwalt zum Chefankläger im sogenannten Einsatzgruppen-Prozess ernannt. Damals war er gerade mal 27 .

Dabei kam ihm die Aufgabe zu, aus den vielen Tätern 24 auszuwählen, gegen die dann Anklage erhoben wurde.  Und er stellte sich die Frage: „War das gerecht? Wie sieht Gerechtigkeit aus?“ Es sollte ein Muster werden, um der Welt zu zeigen, was geschehen war. Und er konnte einige Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen. Ihm war aber auch klar, Gerechtigkeit bleibt leider immer unvollständig. Er konnte  24 der  schlimmsten SS-Verbrecher auswählen und er stellte dafür Kriterien auf. Die Höhe des Dienstgrades und die Bildung der Täter. Denn Verantwortung beginne immer ganz oben. Damit traf er einige der höchsten SS-Chargen mit guter Ausbildung. Einer der Angeklagten war studierter Rechts- und Staatswissenschaftler und arbeitete als Dozent in Kiel und an der Handelshochschule in Berlin. Ein weiterer Angeklagter war ebenfalls Jurist und Generalleutnant der Polizei. Er war 1933 Polizeipräsident von Worms und später Polizeipräsident in Gießen.

Ein weiterer Angeklagter hatte 2 Doktortitel in Ökonomie und Rechtswissenschaften.
Ein Professor für Zeitungswissenschaften, ein Gymnasiallehrer aus einem streng gläubigen Elternhaus, einer war Absolvent einer höheren Handelsschule, einer war Gerichtsangestellter. Sie alle wurden von der SS-Führung ausgewählt, weil man sie für fähig gehalten hatte, den schmutzigsten Job zu erledigen, den es im Feldzug gen Osten zu vergeben gab. Alles Leute, die genau wissen mussten, was sie taten.

Ben Ferencz bezeichnet die Angeklagten als Zitat „irritierend normal“. Das waren keine Monster.  Das waren normale Leute, die als anständige Menschen gelten würden. Als Beispiel nennt er Dr. Otto Ohlendorf, Vater von 5 Kindern, der nach seinen Berichten als Leiter seines direkten Kommandos 90.000 Juden getötet hatte. Er war der Hauptangeklagte, er war intelligent und gut ausgebildet.
Nachdem Ohlendorf zum Tode verurteilt wurde, ging Ben Ferencz zu ihm in seine Zelle, und fragte ihn, ob er etwas für ihn tun könne. Dabei wurde klar, Ohlendorf fühlte sich unschuldig. Er empfand keinerlei Reue.

Die Täter beriefen sich immer auf den Befehlsnotstand. Die Existenz eines allgemeinen Vernichtungsbefehls wird von vielen Historikern heute bezweifelt. Es konnte sich also niemand hinter einem solchen Befehl verstecken. Jeder trug persönlich Verantwortung für seine Taten.

Benjamin Ferencz gelang es, in dem Prozess die Ausmaße der Grausamkeiten darzulegen. Er war der erste Jurist, der in seinem Plädoyer den Begriff des „Genozid“ verwendete, womit das Auslöschen ganzer Kategorien von Menschen bezeichnet werden soll.  22 der Angeklagten wurden schuldig gesprochen. Einer entzog sich der Verurteilung durch Suizid, gegen einen wurde wegen einer Parkinsonkrankheit der Prozess eingestellt.
Nach diesem Prozess setzte sich Benjamin Ferencz weiter für Wiedergutmachungsleistungen für die Opfer des Nationalsozialismus ein. Beharrlich kämpfte er für einen ständigen internationalen Strafgerichtshof. 2003 sprach er bei der Amtseinführung des Chefanklägers in Den Haag.

Sein Motto: „Niemals Aufgeben!“

Zu Ferencz 101. Geburtstag führte Ingo Zamperoni ein Interview mit ihm, das in der ARD-Mediathek zu finden ist.

https://www.youtube.com/watch?v=8AjvsX76ImI   https://www.youtube.com/watch?v=Otf6boAxItg

https://www.youtube.com/watch?v=mf2W6Q-eAjQ

 

28. Januar 2025