Auszüge aus Gedicht von Erich Fried „Zur Zeit der Nachgeborenen“
Ich möchte Auszüge aus dem Gedicht „Zur Zeit der Nachgeborenen“ von Erich Fried aus dem Jahr 1981 vorlesen.
Er nimmt dabei Bezug auf das Gedicht „An die Nachgeborenen“, das Berthold Brecht in den Jahren vor Ausbruch des 2. Weltkrieges im Exil in Dänemark geschrieben hatte. Darin beschreibt Brecht die finsteren Zeiten, in denen er sich befindet, den Aufruhr, die Empörung, die nichts genützt haben, die Untaten der Nationalsozialisten, die verschwiegen werden und seine eigene Hilflosigkeit, die ihn plagt.
Wir sind heute die 2. und 3. Generation der Nachgeborenen. Für uns haben diese Zeilen immer noch bzw wieder eine große Bedeutung
(Vorgetragen von Inke Thiesen-Hart)
„Zur Zeit der Nachgeborenen“ von Erich Fried
25 Jahre nach Brechts Tod »Dabei wissen wir doch« hast du gesagt »Auch der Haß gegen die Niedrigkeit
Verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht
Macht die Stimme heiser. Ach, wir
Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit
Konnten selber nicht freundlich sein«
Das hast du gesagt zu den Nachgeborenen.
Nun schweigst du. Und der Zorn über das Unrecht macht die Stimmen einiger immer noch heiser.
Die meisten aber sind heute nicht einmal zornig sondern haben sich gewöhnt an das alte und neue Unrecht hier, da und dort, und auch an das strenge Recht das die Ungerechten einander sprechen »Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten« hast du gesagt.
Die Zeiten sind anders geworden, aber im ganzen sind sie nicht heller geworden seit deinen Versen und die Gefahr ist größer als damals denn nur die Waffen und nicht die von ihnen geführten Menschen sind stärker geworden
Aber weil man dich noch versteht können einige von dir lernen wie man die Hoffnung am Leben erhält und gleich dir mit List und Geduld und Empörung weiter den Boden bereitet für Freundlichkeit dass der Mensch dem Menschen ein Helfer sei.