Rede von ai-Mitglied Susanne Kudies

Sehr geehrte Damen und Herren, Vertreter des Stadtrats,

Ich möchte meine Schlussworte dazu nutzen an eine Persönlichkeit der Kirche zu erinnern, die auch zu den Opfern der Nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland zählte. Er war als protestantischer Theologe Mitglied des Widerstands in Deutschland wurde dafür hingerichtet im KZ Flossenbürg. Er wurde nur 39 Jahre alt.

Durch sein Lied „Von guten Mächten“ ist Dietrich Bonhoeffer heute vielen Christen bekannt. Er schrieb es in einem Brief an Maria von Wedemeyer aus dem Kellergefängnis des Reichssicherheitshauptamts in Berlin, Prinz-Albrecht-Straße, 19. Dezember 1944. Die Umstände seiner Inhaftierung müssen furchtbar gewesen sein, deshalb ist es noch beeindruckender, wie viel Mut und Zuversicht auf die Zukunft darin erhalten ist.  In dem Film ‚Bonhoeffer‘ wird er von seiner Verlobten Maria gefragt, warum er in diesen dunklen Zeiten so zuversichtliche Gedanken habe – und ob er an die Zukunft glaube. Er antwortete ihr: Ja! – er glaube an die Zukunft, denn er glaube an Gott und fühle sich deshalb mutig genug an die Zukunft zu glauben. So macht uns auch dieser Text Mut:

„Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht“.

Kaum ein evangelischer Theologe des 20. Jahrhunderts  wirkte so tief in Kirche und Gesellschaft hinein wie er. Sein leidenschaftlicher Protest gegen die Nationalsozialisten, seine aktive Rolle im Widerstand gegen Hitler, seine Bücher und sein Tod finden weit über die deutschen Grenzen hinaus Beachtung.

Dietrich Bonhoeffer gehörte der Bekennenden Kirche an, beteiligte sich an Umsturzplänen gegen Hitler und wurde dafür von den Nazis erhängt. Der Theologe und Pfarrer steht für geradlinige Protestanten, die es wagen, ihren Glauben mutig zu bekennen – auch gegen die Mächtigen ihrer Zeit.

Wie soll ein Christ in der Welt leben? Wie kann er seinem Gewissen folgen und verantwortlich Entscheidungen treffen? Solche Fragen stellte sich Dietrich Bonhoeffer in einer Zeit, in der es besonders schwer war, aufrichtig und geradlinig zu bleiben. Der Pastor sah, wie die Nazis immer schlimmer gegen Juden vorgingen – und konnte dazu nicht schweigen. Glaube, Theologie und Leben gehörten für Bonhoeffer untrennbar zusammen, er schrieb einmal, „dass eine Erkenntnis nicht getrennt werden kann von der Existenz, in der sie gewonnen ist“. Sein konsequenter Weg führte ihn in den Widerstand gegen Hitler und schließlich in den Tod.

Christ sein kann man nach Bonhoeffers Überzeugung nur in der „Gemeinschaft der Glaubenden“. Doch was ist die Aufgabe der Kirche mitten in der Welt? „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist“, lautet eine weitere von Bonhoeffers einprägsamen Formulierungen. So, wie Jesus „der Mensch für andere“ war, muss die Gemeinschaft der Glaubenden für ihre Mitmenschen eintreten. Das bedeutet auch, dass sie an deren Leiden teilnimmt. Das heißt:

„Wer für Christus ist und sich auf seine Worte beruft und an sie glaubt, der muss auch dann auch für die Menschen jüdischen Glaubens und alle Menschen, die in Deutschland unter Rassismus leiden, da sein und Widerstand leisten, wenn ihnen durch antisemitische und rassistische Parolen und Gewaltausübung das Leben hier in Deutschland schwer gemacht wird. Wir sollten nie vergessen: „Jesus war auch Jude!“ – das wäre Bonhoeffers Antwort gewesen, wenn man ihn heute fragen würde, welche Verantwortung wir als Christen heute tragen.

Als Christen und alle anderen Menschen, die mit uns den Glauben an Gott teilen, stehen wir daher heute in der Verantwortung aktiv zu werden und aufzustehen gegen Antisemitismus und Rassismus.  Für uns, als Vertreter von Amnesty International gibt es mit der Erklärung der Menschenrechte einen weiteren Grund dafür, warum wir heute, wie jedes Jahr hier sind um uns daran zu erinnern was geschehen ist und damit dazu beitragen, dass die dunklen Seiten der Geschichte unseres Landes nicht vergessen wird.

Es sei wichtig, so Bonhoeffer, dass man lerne und die Zeichen der Zeit zu deuten. Das ist nämlich die Voraussetzung dafür, dass rechtzeitig Widerstand geleistet wird. Kämpfen wir umgeben von den guten Mächten gegen die bösen Mächte, solange es noch möglich ist! Gerät die Demokratie erstmal ins Wanken, werden Menschenrechte wie Meinungsfreiheit  und die Versammlungsfreiheit durch Gesetze beschränkt, ist es bereits zu spät! – Das Rad der Zeit dreht sich unaufhaltsam weiter und dann kämpfen wir wie David gegen einen übermächtigen Goliath! Das gilt es zu vermeiden! – Dazu ist jede bürgerliche Stimme notwendig und unsere Einmischung in die Politik nötig! – Wir müssen unser Schicksal selbst in die Hand nehmen und das Zeitgeschehen beeinflussen. Das hätte auch Diettrich Bonhoeffer so gesagt, wenn wir ihn heute fragen könnten. Er forderte stets die Zeichen der Zeit zu erkennen. Deshalb „Wehret den Anfängen!“ Wer die Demokratie nicht lebt, kann schon morgen in einer Diktatur wieder aufwachen!“ Diettrich Bonhoeffer sagte damals: „Den größten Fehler, den man im Leben machen kann, ist immer Angst zu haben, einen Fehler zu machen.“  

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Wir sollen Mut haben und ohne Angst sein, denn wir sind von guten Mächten des Glaubens geborgen und können daher getrost gegen die bösen Mächte kämpfen.

Deshalb sollten wir heute keine Angst haben, einen Fehler zu machen. Wir sollten mutig sein und uns einmischen und Flagge zeigen, Zivilcourage zeigen – gegen Antisemitismus und Rassismus und alle Versuche unsere Demokratie zu gefährden oder zu zerstören. Deshalb möchte ich in diesem Zusammenhang an die anstehende Möglichkeit ‚Flagge zu zeigen erinnern. Das Bündnis für Demokratie und Toleranz ruft auf zur Kundgebung für Demokratie und Toleranz auf dem Luisenplatz von 11-12 Uhr.

Ich hoffe, dass wir viele von Ihnen, die hier sind, dort wieder sehen.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen Allen für Ihr Kommen und Ihre Teilnahme an unserer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Faschismus danken! Ich wünsche Ihnen noch einen guten Tag! Kommen Sie gut nach Hause!

 

 

29. Januar 2024