Rede von Pfr. i.R Wilfried Neusel

Zum Gedenken an die Opfer des nationalsozialistischen Terrorregimes

 1933 – 1945 // Yom Haschoah – Ansprache Pfr. i.R. Wilfried Neusel bei der Amnesty-Gedenkfeier am 27. Januar 2024

(Zu Beginn der Ansprache der Aufruf zum stillen Gedenken)

 Liebe Freundinnen und Freunde, sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger, zum 79. Mal gedenken wir der weit mehr als sechs Millionen Menschen, die wegen ihres Glaubens, wegen ihrer politischen Überzeugung, wegen körperlicher oder geistiger Einschränkungen oder schlicht wegen der Tatsache, dass sie Jüdinnen oder Juden waren, inhaftiert, gefoltert und mit unfassbarer Gleichgültigkeit ermordet wurden. Ein von Rassenwahn besessenes Terrorregime fühlte sich berufen, ein Volk der Herrenmenschen zu schaffen, das ganz Europa unterjochen wollte. Dazu war jedes Mittel recht. Für die Angehörigen der KZ-Wächter gab es sogar Besichtigungs-ausflüge, um die niederträchtige Betriebsamkeit der Henker zu bewundern.Wie Sie wissen, befreiten am 27.Januar sowjetische Soldaten die wenigen Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz im besetzten Polen.  Mehr als eine Million Inhaftierter allein in Ausschwitz wurden zu Tode gehungert, gefoltert, durch Auszehrung in der Zwangsarbeit ums Leben gebracht, massenhaft erschossen bzw. seit 1942 in Gaskammern getrieben und vergiftet.  In den über ganz Europa verstreuten Vernichtungslagern wurden allein etwa eineinhalb Millionen jüdische Kinder ermordet. Jüdische Personen wurden ausschließlich wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit vernichtet, ob sie gläubig waren oder nicht.  So waren etwa 90% der in Auschwitz Ermordeten Jüdinnen bzw. Juden. Judenhass war und ist ein schmähliches tief verwurzeltes Erbe in ganz Europa. Er wurde kirchlich gerecht-fertigt. Jüdische Personen wurden im Mittelalter weder in Handwerksgilden zugelassen, noch durften sie Grundbesitz erwerben. Waren sie als Händler und Geldverleiher erfolgreich, wurden sie als Geldhaie verschrien. Bei größeren Unglücken oder Katastrophen wurden vor allem Juden der Urheberschaft bezichtigt. Hitler konnte sich auf die Judenfeindschaft Martin Luthers berufen. Als dann im Zuge der Aufklärung auch die Judenemanzipation landesherrlich gestattet wurde, regte sich bald wieder der Neid, weil jüdische Schülerinnen und Schüler gemessen an ihrer Zahl am häufigsten gute Schulnoten nach Hause brachten.

Und natürlich sind Wissenschaft, Literatur und Musik ohne die herausragenden jüdischen Beiträge nicht zu denken. Aber: schon früh im 20. Jahrhundert merkte Albert Einstein hellsichtig an: „Das Universum und die Dummheit sind unendlich..Allerdings bin ich mir beim Universum noch nicht ganz sicher.“ Und Dietrich Bonhoeffer, der auch von der Bekennenden Kirche seinem Tod überlassen wurde, weil er im Widerstand gegen Hitler mitarbeitete, schrieb vor seinem Tod einen Beitrag „Von der Dummheit“: „Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse lässt sich protestieren, aös lässt sich bloß-stellen, es lässt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurücklässt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. Weder mit Protesten noch mit Gewalt lässt sich hier ewas ausrichten; Gründe verfangen nicht; Tatsachen, diie dem eigenen Vorurteil widersprechen, brauchen einfach nicht geglaubt zu werden.- in solchen Fällen wird der Dumme sogar kritisch -, und wenn sie unausweichlich sind, können sie einfach als nichtssagende Einzelfälle beiseite geschoben werden..Soviel ist sicher, dass sie nicht wesentlich ein intellektueller, sondern ein menschlicher Defekt ist. Dabei gewinnt man weniger den Eindruck, dass die Dummheit ein angeborener Defekt ist, als dass unter bestimmten Umständen die Menschen dumm gemacht werden, bzw. sich machen lassen…Die Macht der Einen braucht die Dummheit der Anderen;…es ist ganz deutlich, dass nicht ein Akt der Belehrung, sondern allein ein Akt der Befreiung die Dummheit überwinden könnte..

Es wird wirklich darauf ankommen, ob Machthaber sich mehr von der Dummheit oder von der inneren Selbständigkeit und Klugheit der Menschen versprechen.“ (in Bonhoeffer: Widerstand und Ergebung)

Der Philosoph George Santayana bemerkte nach dem Holocaust zu Recht: „Wer sich an die Vergangenheit nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“

Also sind wir hier, um uns zu erinnern. Aber die Bürde der Erinnerung ist so unfassbar schwer, dass wir wie Helmut Schnidt, der 1977 in Begleitung des damaligen polnischen Regierungschefs Ausschwitz besuchte, wohl sagen können: „Eigentlich gebietet dieser Ort zu schweigen.“ Dann fügte er jedoch hinzu: „Aber ich bin sicher, dass der deutsche Bundeskanzler hier nicht schweigen darf.“ Niemand, darf schweigen, vor allem deutsche Bürgerinnen und Bürger nicht. Zumal in Zeiten, wo völkisches Geschwafel wieder hoffähig wird und Ausgrenzung und Gewalt an Minderheiten die politische Diskussion und gesellschaftliches Handeln immer penetranter bestimmen, wo der idiotische Antisemitismus bzw. Antijudaismus wieder eine ständige Bedrohung  jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger ist. Und es ist kein Zufall, dass die AfD in Thüringen wieder so prominent ist. Schon 1929 war Thüringen in allen politischen Gremien braun. Auch die lutherische Landes-kirche Thüringens war „dem Führer“ von ganzem Herzen ergeben. In Eisenach arbeiteten prominente Theologen an einem „Entjudungsprogramm“. Alles, was in der Bibel nur im Entfertesten jüdische Anklänge hat, sollte eliminiert werden. Also ein spiritueller Holocaust. Die Erinnerung an die Weimarer Republik wurde durch den Bau des KZ Buchenwald auf dem Ettersberg nahe Weimar verhöhnt und besudelt.

Die westlichen Alliierten im Krieg gegen das Hitlerregime wussten wohl seit 1942 von den Arbeits- und Vernichtungslagern, machten aber keine besonderen nstrengungen zu intervenieren. Die außenpolitische Maxime Englands war, „die Juden nicht als Sonderfall zu betrachten, da das Britische Empire bereits zu viele Flüchtlinge aufgenommen habe, um allen noch Sicherheit bieten zu können“. „Die USA hatten Angst, die wirtschaftlichen Beziehungen mit Deutschland nach dem Krieg zu gefährden. Zum anderen sei den Amerikanern und Briten klar gewesen, dass sie einige der Nazis brauchen werden, um Deutschland wieder aufzubauen und den Kommunismus zu bekämpfen, der damals als die größere Gefahr angesehen wurde.“ (Dan Plesch zitiert im der Stern-Ausgabe 19.4.2017)

Entsprechend lasch war nach dem Krieg die strafrechtliche Verfolgung der Schlächter im Dienst des „von Gott gesegneten und ausersehenen Führers Adolf Hitler.“ Landsberg am Lech war während der Naziherrschaft eine Pilgerstätte der NSDAP und der Hitlerjugend; dort war Hitler 1924 inhaftiert worden. Die von General Clay dort nach dem Krieg inhaftierten Nazigrößen sollten zur Entmytholo- gisierung der Hitler-Aura erzogen werden. Die Haftbedingungen waren in jeder Hinsicht luxuriös. Sogar Sport jeglicher Art, Theater- und Musikveranstaltungen wurden angeboten. Schnell wurden Hilfsvereine für NS-Verbrecher ins Leben gerufen, wobei man sich der bereitwilligen Anwaltschaft von hohen Kirchenvertre- tern und der finanziellen Unterstützung von IG-Farben, Krupp und anderen Firmen bediente, die von der Kriegs- und Vernichtungswirtschaft unter Hitler profitiert hatten. Überhaupt spielten diese Leitungsfiguren der katholischen und der evangelischen Kirche eine wichtige Rolle bei der Ausstellung von Persilscheinen und bei der Hilfe für Nazi-Größen, nach Lateinamerika oder in arabische Staaten auszuwandern. Etliche der kirchlichen Vertreter, nicht selten aus frommen Kreisen, hatten im Dritten Reich intime persönliche Beziehungen zum Führungskader Hitlers.

Der Berliner Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Otto Dibelius, vertrat öffentlich die Auffassung, „alles, was vor den Gerichten ge- schehen sei, sei ungerecht gewesen.“ (Ernst Klee, Persilscheine und falsche Pässe ..Fischer TB, Frankfurt 1991, S. 88)

Alexander Mitscherlich fasste die larmoyante Selbstbeweihräucherung in seinem Buch „Die Unfähigkeit zu trauern“ treffend zusammen. Die Muster waren entweder: ich musste auf Befehl handeln, oder: ich war nur ein Rädchen im Getriebe, oder: man hat mir immer bescheinigt, wie ehrenhaft ich meinen Dienst versehen habe.

Die Kirchen, ja sogar die Mehrheit der so genannten „Bekennenden Kirche“,die sich im dritten Reich schamlos z.B. von Dietrich Bonhoeffer oder vom Hunsrücker Pfarrer Paul Schneider distanziert hatte, gingen mit der Gnadensoße hausieren. Irgendwie seien ja alle Sünder und der Gnade Gottes bedürftig. Sie können sich vorstellen, wie bei dieser Einstellung der Generalstaatsanwalt des ersten Nazi-verbrecherprozesses (1963) deutscher Justiz, Fritz Bauer, angegangen wurde. Er brachte den Frankfurter Ausschwitzprozess auf den Weg und gab entscheidende Hinweise zur Ergreifung von Adolf Eichmann. Er war jüdischer Herkunft und umgehend antisemitischer Hetze ausgesetzt. Wie so oft, versuchte man, ähnlich wie bei den Alliierten, mit dem Slogan „Rache-Justiz“ die Glaubwürdigkeit dieses erfahrenen und unbestechlichen Juristen zu verunglimpfen.

Die kirchlichen Anhänger Hitlers schafften es aus formaljuristischen Gründen, weiterhin oder wieder Leitungsfunktionen zu bekleiden und so zu tun, als könne man weitermachen wie gehabt. Der prophetische Auftrag christlicher Kirchen wurde zugunsten individualistischer Seelsorge und Verkündigung vernachlässigt. Die „Stuttgarter Schulderklärung“ von 1945 wurde zum Türöffner für die ökumenische Gemeinschaft mit all jenen, die vorher bis aufs Blut bekämpft wurden, mit den Kirchen Europas wie auch denen in den USA. „Wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“ Zuvor wird behauptet, dass die Protestanten in Deutschland „wohl lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft (haben), der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furcht-baren Ausdruck gefunden hat..“ Hier wird das kostbare Erbe der christlichen Märtyrer des Nazi-Regimes schamlos in Anspruch genommen, und die Kompara-tive „mutiger“, „treuer“, „fröhlicher“ und „brennender“ sollen suggerieren, dass die Kirchen-leitenden wohl schon das ihnen Mögliche getan haben. Schon bald wurde die Spreu vom Weizen getrennt, als 1947 „Das Darmstädter Wort“ veröffentlicht wurde.Es wurde vom linken Flügel des Bruderrates der Bekennenden Kirche verfasst (K.Barth, M.Niemöller, H.Diem, J.Beckmann, E.Wolf) Zusammengefasst:

 „Wir sind in die Irre gegangen, als wir begannen, den Traum einer besonderen deutschen Sendung zu träumen, als ob am deutschen Wesen die Welt genesen kann.“„Wir sind in die Irre gegangen, als wir begannen, eine ‘christliche Front’ aufzu-richten gegenüber notwendig gewordenen Neuordnungen im gesellschaft-lichen Leben der Menschen..Wir haben das Recht zur Revolution verneint, aber die Entwicklung zur absoluten Diktatur geduldet und gutgeheißen.“„Wir haben das freie Angebot der Gnade Gottes an alle durch eine politische, soziale und weltanschaul-iche Frontenbildung verfälscht und die Welt ihrer Selbstrechtfertigung überlassen.„Wir sind in die Irre gegangen, als wir übersahen, dass der ökonomische Materialismus der marxistischen Lehre die Kirche an den Auftrag und die Verheißung der Gemeinde für das Leben und Zusammenleben der Menschen im Diesseits hätte gemahnen müssen. Wir haben es unterlassen, die Sache der Armen und Entrechteten gemäß dem Evangelium von Gottes kommendem Reich zur Sache der Christenheit zu machen.“

Also: gleich nach dem Ende des Naziregimes ergaben sich die gleichen Fronten, die den kirchlichen Auftrag vor 1933 schon unglaubwürdig gemacht hatten.

Die Erwähnung des Marxismus wurde in der BRD auch politisch schnell zum

Reizwort. Wohl bemühten sich die politisch Verantwortlichen nach 1945 um einen dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Der viel gescholtene Ludwig Erhard meine es ehrlich mit der „sozialen Marktwirtschaft“. Aber seitdem in der damals führenden Ökonomie der USA in der Wirtschaftslehre seit den 50er Jahren offiziell dem Kapital ein höherer Stellenwert gegeben wurde als der Arbeit, und als der neo-liberale Kapitalismus seit den 90er Jahren selbst die SPD-Führung korrumpierte, waren auch kirchliche Stellungnahmen wie z.B. das gemeinsame „Sozialwort der Kirchen in Deutschand von 1997“ bald vergessen. Wer sich für eine sozial orientierte Wirtschaft einsetzte wie Kardinal Lehmann, wurde mit baalistischer Inbrunst eines „Neidkomplexes“ bezichtigt.

Die europäische Re-Nationalisierung seit der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts war wie auch heute der Versuch, die globalisierte Wirtschaft zu bändigen und zu beherrschen. Das ging bis hin zu einer faschistischen Bewegung, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts etliche Staaten Europas erfasste, nicht nur Deutsch-lan, und eine ideologische Überhöhung des kapitalistischen Konkurrenzkampfs wurde. Der Raub jüdischer Güter belief sich auf 50 Mrd Reichsmark, und die unsäglichen Produktionsbedingungen in den Arbeitslagern der Nazis waren ein erzkapitalistischer Versuch, ökonomisch weltweit zu dominieren. Bis heute sind Firmen, die mit der Rekrutierung von ZwangsarbeiterInnen daran aktiv beteiligt waren, z.B. Merzedes, BMW, Siemens, Krupp, Deutsche Bank, Adidas, entweder gar nicht oder nur mäßig an der Wirtschafts-Stiftung zur Entschädigung der ca zwölf Millionen ZwangsarbeiterInnen aus ganz Europa beteiligt. Allein von den fünf Millionen russischen Zwangsarbeitern kamen drei Millionen durch die barbarische Behandlung zu Tode. Derweil musste die deutsche Bevölkerung bis 1944 kaum Mangel leiden.

Ich erwähne das, weil ich im Wirtschaftsprogramm der AfD eine ähnliche Dynamik sehe. Erst alle mit Migrationshintergrund zurück ins Elend schicken, dann das Bürgergeld und den Mindestlohn abschaffen, um mehr wirtschaftlichen Spielraum zu haben, dann von den großen Konzernen mit Zuwendungen belohnt werden, weil sie vermeintlich konkurrenzfähiger werden, dann Gefängnisinsassen systematisch ausquetschen, und schließlich vornehmlich mit autokratischen Regimen wirtschaft- lich kooperieren. Das Ergebnis können Sie in Ungarn sehen. Es ist katastrophal.

Aber die AfD steht mit ihrem Zynismus nicht allein. Die Riesenvermögen europäischer Kolonialmächte durch die millionenfache Unterdrückung der Völker Afrikas,  Asiens und Lateinamerikas und deren Abhängigkeit von den Wirtschaftskonditionen der ehemaligen Kolonialherren bis heute haben mit Rechtsstaatlichkeit auch nichts zu tun. Und wenn statt Geld von dort Menschen zu uns kommen, die bei uns arbeiten wollen, trimmen wir unsere Bevölkerung auf „Festung Europa“.

Ich komme zu dem mir an dieser Stelle Wichtigsten: Zum Leben der aus den Lagern Entronnen oder Befreiten. Zur Zeit soll es weltweit wohl noch etwa zweihundertundvierzigtausend Überlebende geben. Ihre Botschaften sind verständlicherweise sehr unterschiedlich. Ich nehme die Botschaften als Pfarrer wahr und bin zutiefst berührt, dass neben manchen, vor allem Menschen jüdi- schen Glaubens, der Glaube an Gott verloren ging. Ich bin aber auch zutiefst berührt, dass viele, die nicht gläubig waren, in der Solidarität der Geschundenen wieder zu Gott fanden. Menschen jüdischen Glaubens, ob Laien oder Theologen, haben nach dem Krieg zu einem gänzlich neuen Verhältnis von Christen und Juden und zum Verständnis der biblischen Botschaft beigetragen. Ein Ergebnis war 1980 die Denkschrift der Evangelischen Kirche im Rheinland „Zur Erneuerung des Verhältnisses von Christen und Juden“. Gründlich Schluss gemacht wurde mit der Substitutionstheorie, nämlich, dass das Volk Israel seine Zukunft wegen der Kreuzigung Jesu Christi verwirkt habe, und dass die christliche Kirche an die Stelle Israels getreten sei. Fast überall auf der Welt haben die Dialoge von Christen und Juden gute Frucht getragen, nicht zuletzt wegen der sozialpolitischen Aussagen des so genannten Alten Testaments.

Wir können uns freuen, dass die begnadete Margot Friedländer und manche weniger Prominente mit ihr wieder nach Deutschland zurück gefunden haben, um für Frieden und Versöhnung tätig zu sein, um lebendige Erinnerung zu wecken und Umkehr zu einem Leben in Gerechtigkeit und Solidarität zu fördern. Die Botschaft der Überlebenden ist Liebe, nicht Hass. Ich höre keine Rufe nach Vergeltung. Ein großes Geschenk!

Die so genannten Aschkenasischen Jüdinnen und Juden, die die Vernichtungslager überlebt haben, brachten in ihr Heimatland Israel auch eine Botschaft mit, wie ich von einem Sprecher der Knesset 2005 erfuhr. Diese wunderbaren Menschen, die ja selbst in Israel bis zum Eichmannprozess 1962 als so genannte „Schattenjuden“ verunglimpft wurden, weil sie nicht ins Klischee der heroischen Ghetto-Kämpfer passten, diese wunderbaren Menschen sagten: „Wir, die wir so viel Leid und Unrecht erfahren haben, ermahnen, auch für die Leiden Anderer sensibel zu sein.“

Zur Zeit ist diese Stimme in Israel von einer Junta unter dem unglaubwürdigen Netanyahu zum Schweigen gebracht worden. Aber ich bin sicher, dass das Charisma der einst Leidenden immer noch einen Weg in eine gerechtere Zukunft im Nahen Osten weisen kann.

Aus allem lerne ich, dass unbestechliches Wahrnehmen von Machtstrukturen, leidenschaftliches Eintreten für die Würde „des Menschen“, glaubwürdiges Berufen auf Geist und Buchstaben unseres deutschen Grundgesetzes überhaupt, die einzig tragfähigen Grundlagen für das Leben der Menschheit jetzt und in Zukunft sind.

29. Januar 2024